Montag, 30.9.2024 Tbilisi
Und wieder habe ich herrlich geschlafen ausgiebig geduscht und bin dann zur Dachterrasse zum Frühstück gegangen. Auch hier war die Dusche wieder göttlich und sogar einen Föhn gab es!
Auf der Dachterrasse, die nach außen verglast ist, knallt brutal die Sonne hinein. Beim Frühstück war es fast zu warm. Als ich dann raus ging, um die Stadt zu erkunden, war es allerdings recht kühl. Die Altstadt hat einen morbiden Charme. Viele Häuser sind kaputt oder irgendwie geflickt wahrscheinlich ist es nicht so toll, hier zu wohnen, aber aussehen tut es gut!
Ich gehe kreuz und quer sehr ziellos durch die Altstadt. Man kommt hier an irgendeine Ecke, schaut in eine Seitenstraße und denkt oh: hier ist es auch schön. Ich mache Fotos, aber ich merke, dass das keinen Sinn macht, weil man hier einfach alles fotografieren kann. Es ist ein Traum! Ich komme an der Sioni Kathedrale vorbei aber hier bin ich nicht passend gekleidet, so mache ich nur vom Eingang aus ein Foto in die sehr aufwändig gestaltete Kirche. Sie stammt ursprünglich aus dem sechsten bis siebten Jahrhundert und wurde zwischendurch aber einige Male zerstört und wieder aufgebaut.
Ich komme an einer (um diese Uhrzeit noch geschlossenen) Kneipe vorbei, die mit einem Drunk-o-Phone werben. Die Beschriftung ermutigt dazu, möglichst viel zu trinken (mindestens 1,5 Promille) und dann in diesem Zustand die Ex anzurufen. Und ihr dann natürlich alles mögliche erzählen. Es wäre interessant zu wissen, wie viele Leute sich dazu haben hinreißen lassen. Coole Idee!
Die Kneipe ist ganz in der Nähe vom Maidan Bazar, wohin ich meine nächsten Schritte lenke.
Wenn man die Treppe zu den Basar hinunter geht, fühlt man praktisch die Falle, die hinter einem zuschnappt. Denn eine Falle ist es. Es mag früher mal ein Basar gewesen sein, heute ist es eine Anhäufung von Krimskrams, der überwiegend in asiatischen Ländern gefertigt und hier und das Volk gebracht wird. Die Atmosphäre ist natürlich fantastisch, aber auch nur zum schauen. An der Decke und auch in ein paar zugeschweißten Glaskisten liegen Antiquitäten, die man aber nicht kaufen kann. Aber trotzdem schön, es mal gesehen zu haben.
Ich bin dann erst mal in einer andere Unterkunft umgezogen. Die Unterkunft gestern hatte ich später wegen Planänderung gebucht und jetzt bin ich in meiner regulären Unterkunft für Tiflis. Allerdings liegt sie auf einem Berg und ich weiß nicht, ob mir das gefällt. Jedes Mal den steilen Berg hoch steigen?
Die Rustavelistraße ist die Hauptgeschäftsstraße hier in Tiflis. Hier sind viele Regierungsgebäude, große Shops, Hotels, Restaurants und vieles mehr. Es gibt einen breiten Bürgersteig mit vielen Bäumen und eine sechsspurige Straße, die man nicht überqueren kann!!
Tatsächlich gibt es hier auf fast 2 km keinen Übergang und auch keinen Tunnel. Es gibt hier auch keine Ampeln, deshalb reißt der Strom der Autos auch nicht ab. Ich bin gestern zweimal über die Straßen gelaufen und die Autos haben vor Schreck (dass einer so bekloppt ist) sogar angehalten. Aber jetzt finde ich das auch zu gefährlich.
In der Nähe vom Uhrenturm (sehr touristische Gegend) saß ein alter Mann mit ein paar Münzen und Medaillen, die er verkaufen wollte. Er sprach mich an und fragte direkt, ob Englisch oder Deutsch notwendig sei. Dann sprach er mit sehr gutem Deutsch über seine Exponate. Er hatte, wie er sagte, zehn Jahre in Deutschland gearbeitet und habe die Sprache seither nicht vergessen. Offensichtlich war er zu seiner Zeit ein gut integrierter Ausländer.
Der Uhrenturm sieht alt aus, ist es aber nicht. Er wurde im Jahr 2010 von einem Puppenspieler entworfen und gebaut.
Einmal pro Stunde kommt ein Engel aus einer Tür und klopft mit einem Hammer auf einer Glocke die Stunde.
Hier in der Nähe ist auch die Freiheitsbrücke, ein sehr futuristischer Entwurf aus dem Jahr 2010. Auffällig ist ihr angeblich völlig nutzloses Dach und sie wird von den Georgiern gleichzeitig geliebt und gehasst.
Bei diesem fantastischen Wetter macht es viel Spaß, durch die Stadt zu gehen. Ich schlendere zu der Seilbahn, die mich oben zu dem alten Fort Narikala bringen soll. Der Andrang ist relativ groß, aber die Leute hier sind gut organisiert und so sitze ich nach 3-4 Minuten schon in der Gondel und fahre nach oben. Es gibt hier auch eine Treppe, die man nehmen kann. Aber: nein danke.
Oben erwartet mich dann natürlich wieder der übliche Touristenrummel mit vielen kleinen Ständen, die im Grunde genommen alle das Gleiche verkaufen.
Hier oben steht auch Mutter Georgien und schaut mit ihrem Schwert in der Hand auf die Stadt hinab.
Der Weg zu dem Fort endet leider abrupt, weil da eine Mauer steht. Das Fort ist wegen Restaurierung geschlossen. Schade eigentlich, ich hätte es mir gerne angesehen.
Wenn ich hier auf die Autos achte, fallen mir ein paar Dinge auf. In Erivan aber auch hier gibt es sehr viele sehr große Autos. So viele Maibach oder Mercedes 500 oder große E-Klasse Mercedesse sehe ich in Düsseldorf nicht. Aber das scheint typisch für die Hauptstädte zu sein. Was auch seltsam ist, dass man hier viele Rechtslenker sieht. Ich schätze fast 20 % der Fahrer sitzen auf der falschen Seite (aber alle mit georgischen Kennzeichen). In Armenien habe ich auch Rechtslenker gesehen, aber deutlich weniger.
Die letzte Aktion heute führ mich zur U-Bahn Station, weil ich morgen zum Treffpunkt meiner gebuchten Tour damit fahren muss. Ich hatte schon bei der Gondelfahrt eine so genannte Metrocard bekommen, die man hier generell für die öffentlichen Verkehrsmittel braucht. Ich kenne das auch aus anderen Ländern, man bucht da Guthaben drauf und checkt dann jeweils bei den Verkehrsmitteln ein und aus. Dabei wird dann entsprechend der Fahrtdauer das Guthaben abgebucht. Ein sehr einfaches und idiotensicheres System.
Wieder ein sehr ereignisreicher Tag!
Georgien hat mit seinen knapp 4 Millionen Einwohnern etwa so viele Bürger wie Berlin. Die Menschen leben hier auf einer Fläche, die ungefähr so groß ist, wie Bayern. Die meisten von Ihnen leben in Tiflis, der Hauptstadt. Es ist ein unruhiges Land am Rande von Russland. Die Russen haben dann auch Abchasien und Südossetien besetzt. Abchasien gehört völkerrechtlich zu Georgien, will aber die Unabhängigkeit. Südossetien mit seinen 50.000 Einwohnern möchte auch nicht zu Georgien gehöre, ähnlich wie Transnistrien (Moldau).
Fast die Hälfte des Landes ist bewaldet, davon ca. 5% Urwald. Diese Wälder sind unglaublich artenreich. Wie auch in Armenien gibt es hier Bären, Wölfe und Luchse, Schakale und Kaukasusleoparden. Löwen und Tiger sind auch hier erfolgreich ausgerottet. Wie ich auch schon in Moldawien erfahren musste, sind auch hier Böden und Gewässer stark kontaminiert durch die Industrie. Es gibt nicht viel Industrie, aber die scheren sich grundsätzlich nicht um die Natur.
Multikulti ist schon lange ein Merkmal des Landes. 84% sind Georgier, dann gibt es noch Aserbaidschaner, Armenier, Russen, Osseten, Abchasien, Assyrer, Kurden und andere. Ca. 85% gehören der Orthodoxen Glaubensgemeinschaft an, ca. 10% gehören dem Islam an und der Rest sind Armenier, Katholiken und Zeugen Jehovas.
Von 1920 bis zum Zerfall der UDSSR gehörte Georgien zu Russland, heute ist es durch die abtrünnigen Teile ein unruhiges Land, das immer noch mit Korruption kämpft. Anders als Armenien gehört Georgien zu den EU-Beitrittskandidaten.
Das macht das Land irgendwie noch sympathischer. Aber stopp!! Es ist Gegenwind aufgekommen. Der illustre Milliardär Bidsina Iwanischwilli „dreht“ das Land und will wieder den Anschluss an Moskau. Er hat sein Geld genutzt und viele Wohltätigkeiten im Land geleistet. Er kaufte Stiefel für die Armee, Autos für die Polizei, hat den Häusern der armen Bevölkerung neue Dächer spendiert und vieles mehr. Allerdings taucht sein Name auch mehrfach in den Panama-Papers auf. Er gründete die Partei „Georgischer Traum“ und nimmt massiv Einfluss auf die Geschicke des Landes. Er war Premierminister, ist aber heute zurückgetreten und lenkt die Geschicke aus der 2. Reihe. In Richtung Moskau.
Verglichen mit der russischen Küche gilt die der Georgier als „Haute Cousine“. Sie ist vielfältig und dazu wird Wein, Sekt und ein Weinbrand gereicht. Da dabei schon mal über die Stränge geschlagen wird, gibt es auch ein Gegenmittel. Gegen den Kater am Tag danach reicht man Chaschi, eine starke Brühe aus Pansen mit Unmengen von Knoblauch. Ich denke, ich werde nicht sooo viel trinken.
City Walk
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