Sonntag, 29.9.2024 Fahrt nach Alaverdi und weiter nach Tbilisi
Gestern Abend habe ich mal Pizza gegessen. Tatsächlich können die Armenier eine ganz leckere Pizza bauen, so, wie ich das auch aus Deutschland kenne. Danach bin ich noch in Richtung Zentrum gelaufen, um die Beine zu vertreten. Auf dem Rückweg sah ich, dass das Restaurant geschlossen hatte. Alles war dunkel. Komisch, als ich ging, waren noch Gäste da. Was auch seltsam war: die Straßenbeleuchtung in meiner Strasse ging nicht, und das war ärgerlich, weil der Boden sehr uneben war. Man musste echt aufpassen.
Und ich empfand es fast als Beleidigung, dass bei meinem Hotel auch die Reklame ausgeschaltet war. Frechheit.
Aber als ich dann in der Rezeption das Notlicht sah, war mir klar: im ganzen Stadtteil war der Strom weg. Zum Glück hatte ich eine Taschenlampe dabei und so konnte ich mich in meinem Riesenzimmer zurechtfinden. Warum schreibe ich Riesenzimmer? Weil es ein Riesenzimmer ist. Es ist wirklich sehr groß und es hat fünf Betten. In Worten 5.
5 Einzelbetten mit fünf Nachttischen und zwei Badezimmern. Ich gebe zu, anfangs hatte ich die Befürchtung, dass noch jemand kommt, aber das war tatsächlich mein Zimmer. Seltsam.
Ich habe hervorragend geschlafen und dann sehr, sehr ausgiebig geduscht. Die Dusche in Eriwan war eher so, wie jemand mit Prostata-Beschwerden pinkelt, aber das hier war eher ein Starkregen! Herrlich!
Dann ging’s zum Frühstück und dann wurde es spannend. Ich hatte immer wieder hin und her überlegt, wie ich weiterfahre und die Option, die ich mir heute vorgenommen hatte war, mit dem Taxi zum Kloster Sanahin zu fahren und danach weiter nach Tiflis. In der App von Yandex sah das gut aus, eine vertretbare Fahrt und auch gemessen an der Strecke, ein guter Preis.
Mir war aber schon klar, dass das schwierig werden könnte, weil der Fahrer hin und zurück wahrscheinlich 10 Stunden brauchen würde und er müsste auch einen Pass dabei haben, weil wir ja die Grenze überschreiten.
Also ging ich zur Rezeption und gab die Daten in die App ein. Die App suchte einen Fahrer.
Lange.
Ich machte einen zweiten Versuch und wählte eine höhere Fahrzeugklasse.
Wieder suchen….
Ich probiere das noch zwei -dreimal und leichte Panik stieg in mir auf. Wie soll es weitergehen? Mein letzter Versuch war eine Fahrt nach Alaverdi (Ort in der Nähe von Sanahin)
Das war einer der verworfen Pläne, weil da ein attraktives Kloster ist. Also jetzt mit dem Taxi nach Alaverdi und von da aus dann weitersehen.
Es dauerte eine Weile, bis ein Fahrer zusagte. Als ich einstieg, schaute er angestrengt auf sein Handy und sagte dann zu dir. Alaverdi?
Dann sagte er „no“ was machte das Zeichen für canceln.
Shit!
Also stieg ich wieder aus und wollte einen zweiten Versuch mit der App starten, aber das ging nicht, weil die Fahrt noch offen war.
Der Fahrer stand zum Glück noch da und ich erklärte ihm, dass er die Fahrt canceln müsse. Natürlich verstand er mich nicht. Aber dann nickte er und machte ein Zeichen, ich sollte einsteigen.
Also stieg ich in den sehr betagten Audi A6, der aber sehr viel Platz hatte und wir fuhren durch das morgendliche Armenien.
Den größten Teil der Strecke geht es über eine kleine Landstraße, die nur wenige Schlaglöcher hat. Wir fahren durch eine hügelige Landschaft und alles ist grün, aber auch ein wenig verbrannt. Es ist kalt (10°), aber strahlender Sonnenschein und sehr freundlich.
Man sieht hier viele Spuren der alten russischen Herren: verlassene Fabriken und eingestürzte Häuser. Die Natur und die Berge hingegen sind atemberaubend.
Mein Fahrer bringt mich bis Alaverdi und das ist wirklich ziemlich trostlos hier.
About Alaverdi: Alaverdi liegt mit seinen knapp 20.000 Einwohnern auf 1000m Höhe ca. 200km von Eriwan entfernt. Es ist ein bedeutender Industrie- und Bergbaustandort. In dem örtlichen Dialekt bedeutet der Name „roter Stein“. Direkt neben der Stadt liegt Sanahin mit dem berühmten Kloster. Während das Kloster aus dem 10. Jahrhundert stammt, wurde Alaverdi erst 1938 gegründet. Die Stadt beherbergt das Alaverdi-Kupferwerk, das seit dem 18. Jahrhundert eine zentrale Rolle in der Wirtschaft der Region spielt.
Alaverdi liegt malerisch am Ufer des Flusses Debed und ist von beeindruckenden Schluchten und Berglandschaften umgeben.
Aber jetzt geht es weiter:
Ich bezahle den Fahrer und muss dabei leider lernen, dass man mir einen falschen zehntausender angedreht hat. Pech. Welche Optionen hab ich jetzt?
Heute Abend um acht fährt hier angeblich ein Bus. Dann wäre ich um Mitternacht in Tiflis. Nicht schön.
Ich könnte auch versuchen, per Anhalter zu fahren. Ich habe hier zwei Tankstellen gesehen, da könnte man Leute mit georgischem Kennzeichen ansprechen.
Oder ich suche hier eine Unterkunft und fahre mit dem Bus morgen Mittag. Dann könnte ich mir noch das Kloster ansehen.
Ich gehe als erstes zu der Tankstelle und treffe da auf einen netten jungen Mann, der ganz gut englisch spricht. Er erklärt mir erst mal, dass es hier keinen Bus gäbe. Langsam geht mein Puls etwas höher.
Einzige Möglichkeit sei ein Taxi und ich frage ihn was das wohl kosten mag, denn Yandex gibt es hier nicht. Er telefoniert und nennt mir 25.000 Dram.
Das ist ein fairer Preis und würde meine Probleme schlagartig lösen. Durch den falschen zehntausender habe ich etwas zu wenig Geld und muss erst mal zum ATM. Aber das stellt kein Problem dar und ein paar Minuten später bin ich unterwegs in Richtung Grenze.
Wir kommen in einen Stau und die Urheber sind schnell ausgemacht. Es sind circa 30/40 Pferde, die vor uns munter auf der Straße traben und uns nicht so recht vorbei lassen wollen. Aber auch das löst sich bald auf und gut gelaunt bin ich auf dem Weg nach Georgien.
Dieses Mal sitze ich in einem Benz, der den obligatorischen Sprung in der Scheibe hat und dessen Warnleuchten auch fast alle an sind. Im Gegensatz zu dem Audi-Fahrer, der mich hierher gebracht hat, weiß dieser Fahrer aber, wo das Gaspedal ist. Der andere Kollege ist meistens 60 gefahren und hier schaffen wir aber locker 80, und das ist für diese Straße auch angemessen.
Endlich bin ich in Georgien. Die Grenze (Ausreise, Armenien und Einreise Georgien) machte es mir nicht schwer. Bei beiden Grenzen muss ich zu Fuß durch die Grenzgebäude laufen, während mein Fahrer einen anderen Weg wählte.
Ein wenig keimt in mir die Hoffnung, dass ich ihn hinter der Grenze wieder sehe (mein Rucksack war noch im Auto)
Jetzt sind es noch knappe 100 km und meine Laune ist ausgezeichnet. Jetzt muss ich nur noch sehen, wo ich vielleicht heute noch eine Simkarte herkriege und dann geht mein Leben auch digital wieder weiter. Aber halt, wir sind ja nicht in Deutschland, hier haben die Geschäfte auch am Sonntag auf! Chapeau!
Vielleicht noch ein Wort zur digitalen Infrastruktur in Armenien: seit einer halben Stunde habe ich kein LTE mehr, ansonsten war überall ein unglaublich guter Empfang, und selbst 3G oder auch Edge funktionieren besser als bei uns.
Die Fahrt hierher hat mich inklusive des falschen 10.000 Dram Scheins 125 € gekostet. Das hört sich erst mal viel an, aber ist für die über 200 km tragbar.
Für 125 € kann ich in Düsseldorf von meiner Wohnung aus zweimal zum Flughafen und zurück fahren.
Als ich an der Grenze auf meinen Fahrer wartete, sprach mich aus einem anderen Auto eine Frau an, ob ich Hilfe benötige. Offensichtlich achtet man hier aufeinander.
Als wir nach Georgien rein fahren, merke ich, erst mal verändert sich wenig.
Aber dann wird es deutlich: wir fahren eher durch eine Ebene und weiter hinten am Horizont kann man wieder Berge sehen. Alles scheint etwas moderner zu sein und offensichtlich auch dichter besiedelt.
Und dann erreichen wir Tiflis. Von weitem sieht es ziemlich gruselig aus. Viele große Betonkästen mit vielen Wohnungen, die auch schon aus der Entfernung nicht besonders schön aussehen. Offensichtlich auch ein Überbleibsel aus der russischen Zeit.
Wenn man dann näher kommt und ins Zentrum fährt sieht man moderne Architektur von zeitgenössischen Architekten. Schon besser!
Und dann biegen wir von der Hauptstraße ab, und es geht eine kleine Straße mit Kopfsteinpflaster und vielen Kurven, den Berg hinauf. Hier scheint alles alt zu sein und ein bisschen verfallen. Aber es hat Charme. Hier wohne ich jetzt!
Ich verabschiede mich von dem freundlichen Fahrer und betrete meine Herberge. Es ist ein altes Haus mit vier Etagen und einer innenliegenden Holztreppe. Auf jeder Etage scheint eine Art Wohnraum zu sein, und alles ist alt, aber nett eingerichtet.
Der freundliche Gastgeber zeigt mir mein Zimmer im Erdgeschoss und erklärt mir, dass die Dachterrasse frei genutzt werden kann, da gibt es auch Kaffee und Tee umsonst den ganzen Tag und man kann auch seinen eigenen Wein mitbringen. Ich schaue mir die Terrasse an und der Blick ist fantastisch. Es ist sehr gemütlich da oben und man sitzt da und kann sich von den Strapazen des Tages erholen. Das lass ich mir gefallen.
Dann gehe ich in die Stadt und entdecke sehr schnell eine große Straße mit vielen Geschäften, Behörden, Restaurants und vielem anderen mehr. Hier pulsiert das Leben und die Stimmung, vor allem bei diesem tollen Wetter, ist fantastisch.
Ein (vollständig integrierter) Russe, mit dem ich im Sportstudio zusammen trainieren, hatte mir geraten, mehr Zeit in Tiflis zu verbringen als in Yerevan, weil Tiflis viel schöner sein. Verdammt! Er hat recht.
Ich besorge mir eine neue Simkarte und schlendere weiter. Wie ein Schwamm nehme ich die neue Umgebung auf und es gefällt mir total gut. Im Vorbeigehen reserviere ich in einem gut aussehenden Restaurant einen Tisch für heute Abend und gehe dann zufrieden wieder in mein Gasthaus.
Der Tag hat nicht so toll angefangen, aber Ende gut, alles gut.
Du bist immer in der Lage, aus schwierigen Situationen herauszukommen.
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